Könige der ersten Nacht

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Thorn La Fahr
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Könige der ersten Nacht

Beitrag von Thorn La Fahr »

Der junge Ritter und Barde Hartmann ist im tiefsten Winter auf dem Weg nach Köln zum Dreikönigsfest. Auf seinem Weg findet er Unterschlupf vor dem Wetter auf dem Gut des grimmigen Edlen Ingrimm. Nach einer Nacht, dessen Verlauf nicht nach dem Gusto des jungen Ritters war, begleitet der Vermummte den jungen Ritter. Vier Tage dauert die Reise. Vier Tage, in denen Hartmann von Ingrimm erfährt, wie die Reliquien der Heiligen drei Könige nach Köln kamen und wer sich wirklich in dem Reliquiar befindet.


Die Könige der ersten Nacht ist eine überarbeitete Neuauflage des gleichnamigen Romans aus dem Jahr 2000 von Bernhard Hennen. Dass ich von Fantasy auf einen historischen/mittelalterlichen Roman umschwenkte, hatte zwei Gründe. Zum einen gehört Hennen nun einmal zu meinen Lieblingsautoren, zum anderen wollte ich einfach wissen, ob historische Romane etwas für mich sind, wenn ich mal keine Lust auf Fantasy habe und auch nicht auf Sci-Fi, wozu ich eigentlich immer greife, wenn ich mal eine Fantasy-Auszeit brauche.

Was sich mir offenbarte, war eine fiktive Geschichte um das Auffinden der Dreikönigsreliquien und deren Weg nach Köln, wie der fiktiven Auflösung, wer wirklich in den Sarkophagen liegt. All das aber im korrekten, historischen Kontext, wie er zurzeit Stand der Wissenschaft ist. Dabei bediente sich Hennen eines Erzählstils, dessen er sich auch schon in Rabensturm/Drei Nächte in Fasar bediente. Kurze Stücke im fiktiven Jetzt, wo die Charaktere Hartmann und Ingrimm beschrieben werden. Ein bisschen, was so passiert, aber halt vor allem die Reise nach Köln und die unfassbare Geschichte, die Ingrimm Hartmann erzählt (Aus Sicht eines aufrechten Christenmenschen natürlich unfassbar). Tatsächlich ist selbst der Inhalt durchaus mit eben genanntem Roman zu vergleichen. Hennen, wie üblich, kennt nur Grauschattierungen. Gut und Böse gibt es nicht. Gefährten verfeinden sich. Und selbst die beste Absicht wird fade, wenn die Auftraggeber aus niederen Gründen handeln. Hier waren übrigens starke Parallelen zwischen den Elfenrittern und eben diesem Roman zu ziehen. Die Ordensritter sind eigentlich in großen Teilen wirklich OK, aber die Ideale und gerade Kirchenoberen handeln aufgrund niederer Motive (Und ja, ich weiß, auch Emerelle ist wahrlich kein weißes Blatt).
Eigentlich kann man sogar keinen der Protagonisten so wirklich leiden. Außer vielleicht die Opfer - oder besser - jene, über die nicht zu viel erzählt wird. Anders aber als in Rabensturm, das ich ständig hätte treten und wegschmeißen wollen, ist Hennen diesmal nicht allzu grausam. Es gibt sogar ein paar schöne Momente in dem Roman... eigentlich zwei. Dadurch aber birgt der Roman tatsächlich so was wie Hoffnung in sich und das ist bei Hennen nicht gerade üblich. Zwar reißt er einmal mehr dieses Schöne nur an und erzählt es nicht mal ansatzweise, aber das macht er ja nie. Aber dass es trotzdem dazu kommt, liegt sehr auf der Hand.
So wie ich es hasse, wenn ein Autor zwanghaft sämtlichen Charakteren übles Geschehen anheim fallen lässt, so kann Hennen eben die andere Fraktion sein. Derjenige, der schon Pusteln bekommt, wenn nur ansatzweise etwas wie ein Happy End oder Setting drohen könnte. Ob Hennen Schönes nicht kann oder nicht will, sei dahingestellt. Er macht es nicht. In den Königen der ersten Nacht ist die Geschichte aber rund, glaubwürdig, sehr, sehr real und einmal mehr gigantisch erzählt. Er ist und bleibt der wortgewaltigste deutsche Autor den ich kenne zurzeit. Dabei ist mir auch sehr angenehm aufgefallen, dass er viel, viel blutiger hätte schreiben können, aber zugunsten von Atmosphäre darauf verzichtet hat. Schade, in späteren Büchern macht Hennen das so nicht mehr. Hier hat er gezeigt, dass weniger oft genug mehr ist.

Wer meine Buchbesprechungen oder Rezensionen kennt (oder wie immer man es nennen will), wird feststellen, dass das Obige doch eigentlich ziemlich positiv klingt, aber von meinem sonstigen Enthusiasmus in solchen Fällen nichts zu spüren ist. Das hat eine einfache Erklärung. Wie geschrieben, war das ein Versuch mit einem mittelalterlichen Roman. Ich hatte mal Ini Lorenz' Wanderhure als Hörbuch versucht, hab aber gelangweilt nach nicht mal 10% aufgegeben. Nicht, weil es schlecht war, sondern weil ich angeödet war. Und auch diesmal, obwohl Hennen einer meiner Lieblingsautoren und das Buch wirklich gut geschrieben ist, ich war irgendwie draußen und kam nie so recht rein. Könnte mich in die Umgebung fallen lassen, aber nur schwer in die Geschichte und so gut wie gar nicht in die Charaktere. Es war mir zu real, eben zu wenig Fantastisches. Als kleine Anekdote mag ich erzählen, dass ich nach der Hälfte des Buches Selbiges weglegte und von Eddings die Belgariad-, Malloreon, Belgarath und Polgara und gleich noch mal die Belgariad und Malloreon las. Wenn ich diese drei Wochen ausgrenze, habe ich für die knapp 600 Seiten von Hennen aber trotzdem weniger als eine Woche gebraucht. Es ist wahrscheinlich ein richtig gutes Buch - nur ich kann mich dafür nicht erwärmen. Rückschluss für mir mich: Keine historischen Romane mehr, selbst wenn sie von Hennen sind.

Deswegen komme ich jetzt aber auch zu einer schwierigen Pflicht. Nämlich dem Fazit:
Ich werde es mal dreiteilen. Derjenige, der historische Romane mag, wird mit Könige der ersten Nacht wohl einen hervorragenden Roman vorfinden. Auch wenn ich mich weit aus dem Fenster lehne, weil es letztendlich mein erster Roman dieser Art war, so zeigen Rezensionen bei Amazon, dass ich damit nicht schlecht liege. Für den puren Fantasyfetischisten hingegen, ist der Roman nichts. Wer aber mal was Anderes lesen mag und hier und da probieren möchte, zugleich aber nicht ganz auf Schwerter und Rüstungen verzichten will, der liegt bei diesem Werk nicht schlecht, denn sowohl der Preis für 600 Seiten ist ausgesprochen günstig, als auch Hennen und seine Wortgewalt und Gabe Geschichten zu erzählen, sind einmal mehr lohnenswert.
Zuletzt geändert von Thorn La Fahr am Mi 15. Jun 2011, 11:49, insgesamt 1-mal geändert.
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