Eine Abhandlung über Bernrod, das größte bekannte Zwergenreich auf Balapur von Derman Holglas, Schriftgelehrter zu Albaron.

Vorwort:

Ich möchte ausdrücklich und unmissverständlich darauf hinweisen, dass diese Abhandlung nicht den Anspruch für sich erhebt, vollständig zu sein. Ich habe im Laufe etlicher Jahre, Berichte und Erzählungen gesammelt, um soviel an Fakten zusammenfassen zu können, wie es nie zuvor geschah. Alles in diesem Buch sind Fakten, außer es wird explizit darauf hingewiesen. Leider muss ich gestehen, dass sehr viele Gerüchte und Erzählungen, die bestenfalls lückenhaft oder zumindest sehr ungenau sind, jedoch ein großer Bestandteil dieses Buches sind. Jedoch ohne einige Gerüchte konnten etliche weiterführende Fakten vollkommen an Sinn verlieren, deswegen habe ich mich durchgerungen, sie mit aufzunehmen, um ein besseres, allgemeines Verständnis zu vermitteln.

Ansonsten bleibt mir nur viel Spaß bei der Lektüre und dem Studieren Bernrods zu wünschen.

- Derman Holglas, Schriftgelehrter zu Albaron

Einführung:

Im Nordosten, von Albaron aus gesehen, weit im Nordosten, erhebt sich über eine schier grenzenlose Ebene ein gewaltiges Bergmassiv. Die Galater und andere Völker bezeichnen dieses Gebirge als die Vier Gipfel. Der Name liegt auf der Hand, wegen den vier Gipfeln, die das Massiv krönen. Ich bin mir absolut sicher, dass die Zwerge einen eigenen Namen dafür haben, aber trotz jahrelanger Forschungsarbeit, konnte ich keinen Anhaltspunkt für einen eigenständigen, zwergischen Namen entdecken. Dennoch... ich bin fest überzeugt, dass es einen gibt. Aber dort fangen ja auch schon die Probleme an: Kein Zwerg, den ich persönlich befragte, sagte auch nur ein Wort über Bernrod, stimmte nie zu, dementierte aber auch nicht, einfach nur ein kollektives Schweigen. Nun aber weiter... von der großen Nordstraße zweigt ein kleiner, unscheinbarer Weg in Richtung Vier Gipfel ab. Diesem Weg folgt man 10 Tage lang und erreicht dann den kleinen Weiler Steinwiesen. Ein Auszug aus den Aufzeichnungen von Fermind Guthaus, Händler:

„ ... wir waren nun schon fast 10 Tage unterwegs ... die Straße, die man nur mit sehr viel gutem Willen als solche bezeichnen kann, scheint endlos zu sein ... die Moral der Wachen sinkt ... der Kutscher ist schon vor drei Tagen verloren gegangen ... wir poltern mit unserem Wagenzug einen sanften Hügel hinauf ... und gerade als die Mannschaft zu Meutern beginnt ... erstreckt sich in einigen Stadien Entfernung, zwischen einem kleinen Hain aus Kiefern und Tannen ... eine Ansiedlung ... einige kleinere Häuser im schlechten Zustand, die eindeutig allesamt Bauernhöfe darstellen ... aber das ist nur ein flüchtiger Eindruck, der sogleich verschwindet, denn die Ansiedlung wird von einem riesigen, vier Stock hohen Haus beherrscht ... endlich ... wir haben Steinwiesen erreicht ... und keine Sekunde zu spät ...“

Soweit zu diesen Aufzeichnungen die man getrost als wahr ansehen kann. Viele ähnliche Berichte habe ich gefunden, die alle das gleiche beschreiben.
Wer in Steinwiesen ankommt, muss seine Reise unterbrechen, erstens weil das riesige Gebäude das einzige Gasthaus in vielen Stadien Umgebung ist, zweitens weil die Verköstigung sehr gut ist und drittens die Betten weicher als Federn sind. Kurz und knapp, eine Nacht in dem Gasthaus ‚Zum Steinschlag’ ist ein Muss. Selbst wenn man sich das unglaublich teure Essen nicht leisten kann, geschweige denn die unverschämt teuren Zimmer, ist eine Weiterreise nicht sinnvoll, es sei denn man, will von vornherein, dass es zu keinem Geschäft mit den Zwergen kommt.

Faktum ist, das Haus wird von einem einäugigen Zwerg namens Kroghog Silberbart geführt. Die Angestellten, sowie alle sonstigen Bewohner des Weilers, sind ausnahmslos Galater, Galatstämmige und auch ein paar Menschen. Sie halten das Gasthaus in Schuss und pflanzen auf ihren Feldern die Nahrung für das große Haus an.

Was nun folgt sind Gerüchte und Halbwahrheiten... es wird behauptet, dass man dem Einäugigen sein Ziel, den Grund der Reise und falls man Händler ist, auch die Art der Ware die man mit sich führt, aber auch die Art der Ware die man erwerben will, mitteilen muss. Oder er fragt einfach danach und man erzählt es aus freien Stücken, jedoch ist mir keinerlei Aufzeichnung in die Hände gefallen, in denen es Reisende abgelehnt haben, etwas über ihren Zweck der Reise kundzutun und sie dann in Geschäftsverhandlungen mit den Zwergen treten konnten. Bleibt also nur der logische Schluss... Kroghog Silberbart scheint so eine Art Informant für das Zwergenreich zu sein. Jetzt kann man natürlich übervorsichtig sein und nie etwas erzählen, doch es gibt auch keine Berichte, in denen Zwerge, Banditen gleich, eine Händlerkarawane oder andere, die friedlich durch ihr Land reisen, überfallen hätten. Nun wie auch immer... weiter besagen die Gerüchte, dass nach einem Tag und einer Nacht des Rastens der Wirt die Reisenden stets verabschiedet... manche behaupten fast raus wirft. Man kann davon ausgehen, dass diese Zeit benötigt wird, damit der Wirt seine Informationen in den Berg schicken und Anweisungen erhalten kann, die Händler oder andere Besucher weiterzuschicken.

Nun wieder Fakten... sobald man Steinwiesen durchquert hat und sich auf der, nunmehr bei bestem Willen nicht mehr als eine solche zu bezeichnenden, Straße weiter den Vier Gipfeln nähert, gelangt man auch schon sehr bald in die südlichen Ausläufer des Gebirges. Von da an geht es mit einer ständigen Steigung nach oben. Die, bleiben wir mal der Einfachheit halber bei dem Begriff, Straße windet sich Serpentinen gleich um das riesige Gebirge herum, aber es ist nicht die einzige Straße dort oben. Von ihr zweigen immer wieder weitere Straßen ab, die in enge Schluchten oder tiefe Täler, die mehr Einschnitte im Fels sind, führen.
In diesem Gewirr von Straßen, eher Bergpfaden, hat sich so mancher Reisender wochenlang aufgehalten, ohne auch nur je zum Gipfel, geschweige denn wieder nach unten zu finden. Langer Rede, kurzer Sinn... wenn die Zwerge jemanden nicht sehen wollen, dann lassen sie sich selber nicht sehen und man kann unverrichteter Dinge wieder abziehen, was schon so manchen reichen Kaufmann in den Ruin gestürzt hat, da er sein Vermögen in einen vermeintlich lukrativen Handelszug gesteckt hat und von den Zwergen nicht empfangen wurde.
Wer aber interessante Waren mit sich führt, oder es sich in den Augen der Herrscher der Vier Gipfel auf irgendeine ominöse Art und Weise verdient hat, der wird irgendwann auf einem der unendlich vielen Bergpfade eine Gruppe von Zwergen gegenüberstehen und die eigentliche Reise beginnt.

Die oberen Ebenen oder Das Vorreich:

Zunächst einmal möchte ich klar stellen, dass diese Begriffe nicht von mir stammen. Sie kommen am häufigsten in den Berichten vor, die ich studiert habe. Es gibt auch noch zahlreiche andere Begriffe und Bezeichnungen der verschiedensten Örtlichkeiten aber die stammen allesamt von Reisenden, die entweder zu viel oder zu wenig Fantasie haben. Tatsache ist, dass nirgendwo die Bezeichnungen aufgeführt sind, die die Zwerge benutzen. Deswegen habe ich mich für das kleinere Übel entschieden und Begriffe genommen, die ein jeder verstehen sollte, der lesen kann.

Ich werde an dieser Stelle auch nicht erläutern wie Zwerge aussehen oder wie ihre Gesellschaft beschaffen ist. Dazu sind viele Werke erschienen, die das hinreichend erläutern. Außerdem, wenn jemand nichts über Zwerge weiß, warum sollte er dann auch diese Abhandlung lesen?

Auf jeden Fall wird man von einer Gruppe schwer bewaffneter Zwerge irgendwann erwartet. Diese führen einen zu einem Eingang im Fels. Allen Berichten gleich ist die Tatsache, dass man die Tür erst sieht, wenn sie sich öffnet. Vorher sieht man nur eine Felswand. Wovon aber jeder Bericht abweicht, ist die Umgebung in der die Tür, der Eingang sich befindet. Mal wird von einem kleinen, grünen Tal geschrieben, mal von einem Felsüberhang, in dessen Schatten sich der Eingang befindet. Mal von einem Kiefernwald, mal von Dornengestrüpp. Diese Aussagen lassen drei mögliche Schlussfolgerungen zu:

1 – Die Zwerge verändern jedes Mal die Umgebung. Die Bäume und Büsche lassen sich mechanisch verschieben und die Felswände durch Bauten die man von Schaustellern kennt, verkleiden.
2 – Die Zwerge besitzen eine Vielzahl versteckter Eingänge, die es beinahe unmöglich machen, für Reisende, sie jemals wiederzufinden.
3 – Die Reisenden waren gar nicht in Bernrod, sondern irgendwo anders.

Zu Punkt 3 muss ich anmerken, dass sich dem durchaus so verhält, aber jene Berichte, die offensichtlich gefälscht waren, habe ich gar nicht berücksichtigt. Die wahrscheinlichste Möglichkeit ist natürlich Punkt 2. Niemand, selbst ich nicht, kann sich vorstellen, dass Zwerge einen derartigen Aufwand betreiben, nur um ungestört zu sein. (Anmerkung des Verfassers: Nachdem ich die Abhandlung fertig gestellt habe, ging ich alles noch einmal durch und muss an dieser Stelle eine kleine Korrektur vornehmen. Mittlerweile bin ich nicht mehr so überzeugt über den vorherrschenden Punkt 2. Ich habe festgestellt, dass Zwerge jeden Aufwand treiben für etwas, das ihnen wichtig ist. So gesehen tendiere ich ein wenig mehr zu Punkt 1. Ich habe meine frühere Meinung nicht gestrichen, weil ich zeigen wollte, wie sich meine Meinung in laufe der Arbeit an diesem Projekt geändert hat. Ein Beweis, wie wenig man doch glaubt über Zwerge zu wissen.)

Was auffällt, ist die fehlende Erwähnung eines großen Doppeltores, des Haupteingangs. Gerüchte behaupten, dass eine breite Straße zu diesem Tor führen soll. Tatsache ist, dass dies nirgendwo Erwähnung findet, außer in einem Bericht eines elbischen Barden von zweifelhaftem Ruf. Nachfolgend will ich einen Auszug aus seinen Aufzeichnungen aufführen, wobei ich anmerken muss, das der Elb alles andere als Nüchtern war, als er den Text niederschrieb und ich gezwungen bin die Hieroglyphen zu entziffern, die er Buchstaben nennt.

„... und da bin ich dann durch die Bergwälder gestolpert, auf der Suche nach dem großen Tor. Niemand hat es je gesehen, und ich würde mir Ruhm und Geld erwerben, wenn ich es finden würde. Epen würde ich verfassen oder eher klauen, um sie dann umzuschreiben. … Verdammte Bäume und verdammtes Buschwerk. Kein Wunder, dass sich meine Vorfahren entschlossen, aus dem Wald und von den Bäumen herunter zu kommen… Habe mich verlaufen. So ein Mist. Gestern bin ich wieder durch Steinwiesen gekommen. Ein Glück, dass niemand mein Tagebuch lesen wird. Auf jeden Fall konnte ich dort wieder meine Weinvorräte auffrischen.… Es wird immer kälter und die Nacht bricht herein. Zum Glück habe ich genügend Wein dabei … Man bin ich betrunken. Habe doch gerade Lichter gesehen durch die Baumstämme … bin den Lichtern gefolgt, da ist eine Straße, eine dicke, breite Straße. … da ist auch das Tor, ich wusste es. Verdammt viele Zwerge hier. Ich verkrieche mich am besten. … Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, hatte ich Kopfschmerzen von der übelsten Sorte. Habe ich das wirklich gesehen? Auf jeden Fall bin ich nicht mehr auf dem Berg. Erst mal einen Schluck Wein gegen die Kopfschmerzen...“

Soviel zu dem Barden, dessen Namen ich nicht erwähnen möchte. Es ist aber der einzige Bericht, der von einer breiten Straße und einem großen Tor spricht. Inwiefern das aber stimmt, sei dahin gestellt, denn vermutlich war der Barde in seinem ganzen Leben nicht einmal nüchtern.
Rein logisch betrachtet muss es aber breite Straßen und große Tore geben. Selbst wenn es viele kleine Eingänge nach Bernrod gibt, wie soll ein großer Heerwurm denn zustande kommen? Genug der Spekulationen darüber.

Alle Berichte stimmen über das Aussehen gleich hinter den Eingängen überein. Es öffnet sich eine große Höhle zwischen 40 und 50 Schritt im Durchmesser und von einer Höhe von 15 bis 30 Schritt. Links und rechts neben dem Eingang erstrecken sich schmale und nur zwei Schritt hohe Gänge an der Außenwand entlang. In ihnen kann man in regelmäßigen Abständen gut verdeckte Klappen sehen. Diese verbergen Schießscharten, derer man von außen nicht gewahr wird. In gewissen Abständen führen Treppen nach oben, was vermuten lässt, dass diese Schießscharten sich über mehrere Stockwerke hinziehen und somit eine tödliche Begrüßung für jeden ungebetenen Gast darstellen. Dazu kommen auch die Tür, oder das Tor und der Torgang. Beides nicht groß in den Ausmaßen, zeigen sie aber Eindrucksvoll, wie sehr sich die Zwerge auf das Handwerk im Allgemeinen, aber vor allem auch in der Sicherung ihrer Heimat verstehen. Wobei Riegel aus Stahl, stählerne Ketten und einfach zu erkennende Schlösser nur die einfachsten Sicherungsmaßnahmen darstellen. Es wird von mechanischen Apparaturen berichtet, deren Funktionsweise sich den Reisenden vollkommen entzieht. Einzig ein paar Zahnräder wurden gesehen und somit der Schluss auf eine verdeckte Mechanik gezogen. Der Torweg, obwohl kurz, zeigt ebenfalls Schutzmaßnahmen. Löcher in der Decke lassen darauf schließen, dass man aus ihnen siedendes Pech auf Eindringlinge schütten kann. Löcher im Boden sprechen von Speeren, Stangen oder Ähnlichem, das ausgefahren werden kann. Vermutlich gibt es auch Fallgruben mit gar tödlichem Inhalt. Die Höhle, oder besser gesagt Halle, denn kein roher Fels wurde jemals dort gesehen, sondern nur fein säuberlich behauener, ist leer. Keine Säulen, keine Verzierungen oder Gegenstände wurden jemals dort gesehen. Einzig Zwerge sieht man, die schwer gerüstet in der Halle stehen oder ihren Geschäften nach gehen. Türen sucht man wieder herum vergeblich, was aber auch nur bedeutet, dass sie erneut nicht sichtbar für das ungeübte Auge sind.

Kommen wir nun wieder zu den Gerüchten über diese Halle und welchem Zweck sie vornehmlich dienen könnte. Wo die Reisenden von einer großen, leeren Halle sprechen, besagen Gerüchte und nicht zuletzt der Volksmund (ja ich weiß, nicht gerade sehr zuverlässig, aber was will man machen, wenn man eine möglichst vollständige Abhandlung über unbekanntes verfassen möchte?), dass diese Halle Kriegshalle oder Halle des Krieges genannt wird. Dort, so wird vermutet, versammeln sich die Zwergenkrieger, um dann in gewaltigen und brutalen Ausfällen ihre Feinde vom Berg zu fegen. Wenn man bedenkt, dass es Dutzende von Eingängen geben soll und mindestens ein oder zwei große Tore, dann muss man davon ausgehen, dass derartige Ausfälle verheerenden Schaden unter den Feinden anrichten werden.